Einblicke in Klengels künstlerisches Schaffen

von Egbert Steuer

Vor mehreren Jahren gelang dem Verfasser in einer Kunsthandlung der Kauf einer Klengelschen Radierung aus dem Jahre 1775.

2005 erschien im Olms – Verlag Johann Christian Klengels umfangreiches Werkverzeichnis „Glücklich gewählte Natur…“ von Dr. Anke Fröhlich, eine Monographie mit Katalogisierung der Zeichnungen, Radierungen und Lithographien des Meisters.

Ausgehend von dieser ausgezeichneten kunstwissenschaftlichen Arbeit können nunmehr auch die näheren Daten des gekauften Bildes betrachtet werden.

Die Radierung mit Einfassungslinien (20,8 x 23,3 cm) „Flusslandschaft mit Herde, die von einem Reiter durch das Tor einer Ruine getrieben wird“ gehört zu einer Reihe Bildern aus dem Jahre 1775 mit der Bezeichnung „XII verschiedene Landschafften erfunden und radirt von Johann Christian Klengel.“ Der Maler war also zur Entstehungzeit gerade 24 Jahre alt, bezeichnet ist das Bild am rechten unteren Rand: „Klengel, inv. 1775“, im Fröhlich – Verzeichnis ist es mit G 74 angegeben (Druckgraphik: Radierungen und Lithographie).

Die Landschaft, in die das Bild gesetzt ist, ist schwer festzulegen. Es könnte, wie auch der bezeichnete Name aussagt, in jeder beliebigen Gegend Europas angesiedelt sein, doch auch speziell Italien und Rom könnte den Ort mit verfallener Burg, Flußlandschaft und reichem Baumbewuchs darstellen. Im Vergleich mit später bei Rom geschaffenen Werken liegt allerdings der Entstehungsort in dieser Landschaft nicht, auch kann von einer italienischen Studienreise im Jahre 1775 nicht ausgegangen werden, da der Maler erst 15 Jahre später in den Süden kam.

Flusslandschaft mit Herde, die von einem Reiter durch das Tor einer Ruine getrieben wird - Klengel, inv. 1775

2013 informierte ein Kesselsdorfer Bürger den Verfasser, er habe eine Radierung Klengels billig auf einem Trödelmarkt erstanden. Bei der Betrachtung des Blattes machte dieses einen absolut echten und gut erhaltenen Eindruck. Der erste Anblick ließ auf die gleiche Druckplatte wie bei G 74 vermuten. bei genauerer Überprüfung jedoch ergaben sich deutliche Unterschiede, die auch bald an Hand des Fröhlich – Katalogs geklärt werden konnten.                                                                              

Dort ist die Radierung unter G 107 „Aquadotti vechii presso di Roma“ aufgeführt.

Das Motiv zeigt, wie bei G 74, auf der rechten Bildseite eine ähnliche Ruine, offensichtlich Teil eines pflanzenüberwucherten römischen Aquädukts, das zwei Mauleseltreiber mit Hund durchschreiten.  Links geht der Blick in die Ferne zur Fortsetzung der Wasserleitung.

Die Radierung mit Plattenrand (19,6 x 26,4) ist bezeichnet unten Mitte: „Klengel f. 1791“. Dadurch ist ersichtlich, dass das Bild das Ergebnis von einer der vielen Zeichnungen sowie Skizzen ist, die Klengel auf seiner vom Herbst 1790 bis Frühjahr 1792 durchgeführten Studienreise in die Landschaft um Rom anfertigte.

Diese „Römische Landschaft mit Aquädukt“ hat der Maler in mehreren Varianten verarbeitet, die alle im Fröhlich – Katalog eingetragen sind. Die in der Rubrik „Zeichnungen“ aufgeführten Arbeiten liegen selbstverständlich nur als Unikate vor und haben deshalb nur einen Besitzer:

Z 515 „Römische Landschaft mit Aquädukt“. Pinsel in Braun über Graphit (42,3 x 63,7 cm). Motiv wie G 107, aber seitenverkehrt, unbezeichnet. Durch den Bogen des Aquädukts kommen hier ein Reiter mit Hund und ein Wanderer. Besitzer: Riga, Arzenju Másklas Muzejs.

Das weitgehendst gleiche Motiv ist unter Z 516 zu finden, hier als Aquarell über schwarze Kreide (42,9 x 63,3 cm) mit schwarzer Einrahmungslinie, bezeichnet unten Mitte: „Klengel 1790“. Es befindet sich in Münchener Privatbesitz.

G 295 „Aquädotti vechii“ (kleine Fassung). Radierung mit Plattenrand (10,8 x 11,2 cm), unbezeichnet, normalseitig, Kunstsammlungen Weimar und KSK Berlin. Durch den Bogen des Aquädukts kommen ein Mauleseltreiber mit einem Jungen.

Vom gleichen Klengel-Motiv hat der etwas jüngere Tscheche Anton Pucherna (1776-1852) eine Radierung mit Einfassungslinien (17,8 x 23,5 cm) „Eselsreiter und Fußgänger mit Packeseln unter der Bogenruine einer antiken Wasserleitung“ verfasst. Kunstsammlungen Weimar.

Sämtliche angeführten Varianten sind motivisch fast deckungsgleich, auch die Kopie Pucherna´s, jedoch weichen die durch den Ruinenbogen ziehenden Personen und Tiere in jeder Variante voneinander ab, ein deutliches Zeichen, wie der Künstler zwar die Landschaft nach der Natur im Allgemeinen festhält und bearbeitet, die feineren Akzente jedoch nach eigenem Empfinden einsetzt.

Dass Klengels Oevre immer wieder zahlreiche Varianten des gleichen Motivs aufweist ist deutlich erkennbar und bei ihm keine Seltenheit. So hat er u.a. auf seiner Italienreise von den Ruinen des „Tempels der Minerva Medica in Rom“  3 Radierungen, 1 Aquarell und 1 Gemälde angefertigt. Hinzu kommt noch eine Radierung als Kopie von Pucherna.

Infolge der Vervielfältigung bei Radierungen von etwa 40 – 50 Abzügen pro Platte ist selbstverständlich die Breitenwirkung dieser Werke weitaus bedeutender gegeben und die Exemplare befinden sich heute in staatlichen und privaten Sammlungen weltweit. Nur so ist zu verstehen, weshalb auch in Kesselsdorf, dem Geburtsort Klengels, einige seiner Werke im Original aufzuweisen sind.