Schmalspurbahn

Die Kleinbahn im Bahnhof Kesselsdorf

Kesselsdorf und die Schmalspurbahn von Hans-Georg Dauterstedt

Am 27. Mai 1972 fuhr die Schmalspurbahn das letzte Mal durch Kesselsdorf. Ab 28. Mai wird der Personenverkehr durch Schienenersatzverkehr geregelt.

Ein kurzer Abriss zu einem Teil des Wilsdruffer Schmalspurbahnnetzes soll uns die Bedeutung für den Regionalbereich noch mal in Erinnerung bringen. Die Begeisterung der Menschen nach der Eröffnung der Trasse Potschappel Wilsdruff, am 30. September 1886, war durchaus verständlich, war doch die Eisenbahn das modernste, zuverlässigste und schnellste Verkehrsmittel. Es befreite die ländlichen Gebiete mit einem Schlage von der sogenannten Weltabgeschiedenheit, brachte dem einfachen Volke den langersehnten Anschluss an die »Große weite Welt«, von der man vorher immer nur träumte.

Der Beitrag zur ökonomischen Entwicklung unseres Gebietes war durch den Bau der Schmalspurbahn nicht zu unterschätzen. Ihr wurden damit völlig neue Perspektiven eröffnet. Die Schmalspurbahnen waren damals eine der stärksten Waffen gegen Unterentwicklung auf dem Lande.

Anfangs diente die Bahn vorwiegend dem Personenverkehr, doch der Transport landwirtschaftlicher Güter spielte eine Zunehmende Rolle. Die hauptsächlichsten Frachtgüter zu dieser Zeit waren: Kohlen, Getreide, Futtermittel, Düngemittel, Vieh, Leimleder, Sandstein, Kalkstein, Ziegel.

Die Ausnutzung der bewegten Personenwagenplätze betrug 1894 32 %, die der Güterwagenladefähigkeit 34 %. In den Anfangsjahren verkehrten täglich drei Zugpaare auf der Strecke. Die wichtigste Verkehrsstelle war der Bahnhof Wilsdruff. Doch dann kam nach 86 Dienstjahren die Außerdienststellung, und das ging so:

• 1964: 14. Mai: Im Ergebnis von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zur Arbeitsleistung DR/ Kraftverkehr erfolgte der Ministerratsbeschluss zur Reduzierung des Nebenbahnnetzes. Vorgesehen waren die Stilllegung von 70 % der Schmalspurbahnstrecken bis 1970.

• 1972: Ende Januar wurde der Güterverkehr zwischen Freital-Potschappel und Mohorn eingestellt. 27. Mai: Die Schmalspurbahn fährt das letzte Mal durch Kesselsdorf, 28. Mai: Der Personenverkehr wurde durch Schienenersatzverkehr geregelt.

• 1976: Demontage der Windfangbrücke bei Kesselsdorf. Im Studentensommer wurde der Großteil der Schienen auf der Strecke Freital – Wilsdruff demontiert.

• 1985: Das äußerlich noch sehr gut erhaltene Bahnhofgebäude des Bahnhofes Kesselsdorf erhält eine neue Außenverkleidung.

•2001: Auf dem ehemaligen Gelände des Bahnhofes Kesselsdorf wird die Kindertagesstätte »Haltestelle Kinderherzen« errichtet und in Betrieb genommen.

  • 2022 Komplette Instandsetzung des Bahnhofsgebäude durch den neuen Eigentümer.

Nachtrag: Die Bedeutung der Schmalspurbahn für den Tagesablauf vieler Bewohner von Kesselsdorf: »Die Schmalspurbahn bestimmte den Rhythmus in Kesselsdorf wie Sonne, Mond und Sterne; sowie der Glockenschlag der St. Katharinenkirche.«

P.S.: Herrn Peter Wunderwald sei an dieser Stelle für die freundliche Zustimmung zur Wiederverwendung zweier Bilder von der Strecke und einiger Passagen aus dem Heft 1 »Das ehemalige Wilsdruffer Schmalspurnetz« gedankt.

Vertiefende Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.wilsdruffer-schmalspurnetz.de.

Zug steht im Bahnhof Kesselsdorf

Kesselsdorfer Eisenbahn-Geschichten

Mit der Bahn zur Schule von Annerose Pietzsch

Vor 1952 bis 1958, also von der 1. bis zur 6. Klasse, verbrachte ich meine Schulzeit in der Kesselsdorfer Grundschule. Ich erinnere mich dort an den spannenden Schulweg zusammen mit meinen Klassenkameraden, an den Zwei-Klassen-Unterricht, an die ständig wechselnden Lehrer, an die Pausen auf dem Schulhof und an das selbstgekochte leckere Schulessen. Aber es sollte nicht so idyllisch bleiben. Wir waren die erste Klasse, die ab dem 7. Schuljahr nach Grumbach gehen musste. Wer sich das ausgedacht hatte? Keine Ahnung! Auf jeden Fall ging es hinaus in die „große weite Welt“.
Bis dahin kannte ich die Eisenbahn nur in der Obhut meiner Mutti, wenn es mal nach Freital zum »Großeinkauf« ging, eine wunderbare Sache! Wilsdruff und Grumbach kannte ich bis dahin so gut wie nicht. Aber es ging los, die erste Angst war nach einigen Tagen verschwunden, sie wich der Abenteuerlust und der Unternehmungsfreude.
Bereits auf dem Weg zum Bahnhof trafen wir uns, die einzelnen Mitschüler stießen auf die Gruppe, die schon unterwegs war, und wurden mit großem Hallo begrüßt. Es wurden Erlebnisse ausgetauscht, wichtige Mitteilungen weitergegeben und evtl. auch mal Hausaufgaben besprochen (was eher seltener der Fall war). Dann, am Bahnhof angekommen, warteten wir auf den Zug. Wem es zu langweilig wurde, der sprang auch mal über die Schienen oder machte sonst irgendwelchen Blödsinn. Nicht nur einmal musste der Bahnhofsvorsteher, Herr Böhme oder Herr Schirmer, dann eingreifen und mit einigen schimpfen. Doch dann endlich fuhr der Zug ein. Die ans Ziel Gekommenen stiegen (für uns viel zu langsam) aus, deshalb drängelten wir, ohne die Schulranzen abzunehmen, über den Perron ins Abteil, wegen eines guten Platzes. Das ist doch zu verstehen, oder? Kaum einen guten Platz ergattert, ging es los. Der Bahnbeamte gab das Abfahrtssignal, nachdem er alles ausgiebig mit dem Zugführer besprochen hatte – es machte nichts, wenn es einige Minuten später war. Für uns gleich gar nicht, denn wir hatten dann ja einen guten Grund fürs Zuspätkommen.
Also los, ein schriller Pfiff und die Fahrt begann. Bei der Überfahrt über die Staatsstraße musste gleich nochmals gepfiffen werden, wegen der großen Gefahr. Von noch ein bissel Ausruhen für uns war da aber nicht die Rede. Kaum war der Ranzen abgesetzt und (manchmal auch im Gang) positioniert, kam auch schon derSchaffner: „Die Fahrkarten bitte!“ Gelangweilt zeigten wir unsere Monatskarten.
Eine Schaffnerin war uns besonders »lieb«. Sie ging immer geschniegelt und gebügelt und hatte an allem etwas auszusetzen. Mal lagen die Ranzen nicht richtig, mal war die Monatskarte nicht unterschrieben, oder wir waren ihr zu laut. Sie fand immer etwas, was ihr an uns nicht passte. Dass uns das nicht gerade gefiel, ließen wir uns aber dann auch anmerken, leicht hatte sie es mit uns nicht. Es pfiff schon wieder, wir fuhren in Grumbach ein. Langsam und bedächtig stiegen wir aus dem Zug, ja nicht zu schnell, war die Devise, sonst waren wir ja zu schnell in der Schule.
Ja, und nachdem wir in der Schule »fleißig und aufmerksam« gelernt hatten, ging es den gleichen Weg zurück nach Hause. Die Bahnfahrt von Grumbach nach Kesselsdorf war fast zu kurz. Man musste ja die gemeinsamen Unternehmungen für den Nachmittag planen. Es war ungeheuer wichtig, wann und wo man sich treffen wollte. Und das Handy war ja noch nicht erfunden …

Die Kleinbahn auf der Straßenbrücke zwischen Kesselsdorf und Wurgwitz

Unsere Kleinbahn - Ziel einiger Jugendstreiche von Bernd Nicolai

Es mag so um die Jahre 1949/1950 herum gewesen sein, zu einer Zeit, als die Bimmelbahn noch Hauptverkehrsmittel zwischen Potschappel und Wilsdruff war und wir Kinder weder Fernseher noch Computer kannten und deshalb nach der Schule lieber in der Natur spielten. Dabei zog es uns immer wieder zu den Bahnanlagen hin. Als besonders mutig galt, wer sich unter der sogenannten Windfangbrücke, einer Kastenbrücke, zwischen den Stahlträgern von einem darüber fahrenden Zug »überrollen« ließ. Auch manches Geldstück, was wir auf den Schienen platziert hatten, wurde von der darüber rollenden Lok plattgedrückt.

Einmal jedoch verzapften wir einen Unfug, über dessen Tragweite wir uns nicht im Klaren waren, und das kam so: Ganz in der Nähe der Bimmelbahnstrecke befand sich der Kesselsdorfer Schuttabladeplatz, ebenfalls ein beliebter Spielplatz der Kinder, weil hier manchmal Dinge zu finden waren, die manches Kinderherz höher schlagen ließen. Das ging los bei einfachem Klingeldraht bis zu diversem Blechspielzeug. Einmal soll sogar eine größere Geldsumme gefunden worden sein. Wir jedenfalls, eine Gruppe von etwa 4 bis 5 Jungen, fanden einmal einen ziemlich großen Topf mit Wagenschmiere und einer hatte gleich die Idee, die Bahngleise damit einzuschmieren. Keiner hatte Bedenken, und los ging es. Wir rannten zu dem Schienenstück vor der Windfangbrücke und begannen unser Werk. Es mögen ca. 50 bis 80 m gewesen sein, die wir beschmierten. Eile war angesagt, denn bald musste der 3-Uhr-Zug kommen, von Wurgwitz her hörten wir ihn schon pfeifen. Nach vollzogener Tat legten wir uns am gegenüberliegenden Hang auf die Lauer. Und dann kam er. Schwer schnaufend näherte sich der ziemlich lange Zug, der vor allem Schichtarbeiter, aber auch andere Leute, von Freital kommend nach Hause brachte und gegen 15 Uhr den Kesselsdorfer Bahnhof erreichen sollte. Daraus wurde natürlich nichts. Als die Lokomotive das beschmierte Gleis erreichte, fing sie mächtig an zu trampeln, die Räder drehten sich, jedoch der Zug kam zum Stehen. Es folgten viele Startversuche. Die ersten Fahrgäste waren schon zu sehen, aber vorwärts ging es kaum. Mittlerweile waren viele Menschen auf den Schienen und besahen sich unser Werk. Was die mit uns gemacht hätten, wenn sie unser habhaft geworden wären, kann man sich denken. Geschimpft haben sie noch Tage später. Im »Stop-and-go-Tempo« und nach ziemlich langer Zeit ging es dann schließlich weiter, aber pünktlich kam der Zug jedenfalls nicht in Kesselsdorf an. 

Uns Lausejungen war mittlerweile klar geworden, was wir verzapft hatten, dass das Folgen haben würde, konnten wir uns auch denken. Also beschlossen wir, eisern zu schweigen. Schon zu Hause ging die Fragerei los. Am nächsten Tag in derSchule ging das weiter und auch an höherer Stelle hätte man sicher gern gewusst, wer die Übeltäter waren. Aber nichts kam heraus, keiner von uns hat geredet, so verlief sich die Sache nach und nach im Sande und wurde schließlich vergessen bis zu einem Vortrag über unsere ehemalige Bimmelbahn, organisiert vom Heimatkreis. Als hierbei auch Anekdoten über die Bahn erzählt wurden, fiel mir wieder dieser Dummejungenstreich von damals ein. In der Hoffnung, dass die ganze Geschichte verjährt ist und mir keine Senge droht, habe ich sie zum Besten gegeben. Sollten betroffene Fahrgäste von damals noch böse auf uns Lausejungen sein, so bitte ich sie um Nachsicht und Verzeihung auch im Namen meiner Mittäter. Versichern kann ich, dass wir noch lange Zeit danach mächtiges Fracksausen hatten und fortan derartigen Unsinn nicht mehr gemacht haben. Engel sind wir allerdings auch nicht geworden.

Die Windfangbrücke zwischen Kesselsdorf und Wurgwitz